Sehnenüberlastung / Tennisellbogen
Wie werde ich meinen Tennisarm wieder los?
Um einen Tennisarm wieder los zu werden, braucht es zu allererst ein gezieltes und bewusstes Selbstmanagement. Die Belastungen sollen weder während, noch umittelbar danach und auch nicht am nächsten Tag die Reizung verstärken.
Nicht jeder Tennisarm endet in einer langwierigen Leidensgeschichte, viele Patienten werden ihn ohne besondere Massnahmen auch wieder los. Von derart günstigen Spontanverläufen kann man vieles lernen, genauso wie von all den mühsamen Verläufen. In beiden Fällen ist das teils bewusste, teils unbewusste Selbstmanagement der betroffenen Patienten der entscheidende Punkt. Falls Sie zuerst noch etwas über die Entstehungsgeschichte lesen möchten, hier geht es zum letzten Blogbeitrag.
Das „Leitplanken-Modell“ als Verständnishilfe
Das Selbstmanagement im Zusammenhang mit dem Bewegungs-apparat kann man sich vorstellen wie eine Autofahrt auf einem Fahrsimulator, vor uns eine Strasse, die beidseits durch Leitplanken abgesichert ist. Wenn sich nun Peter Muster bei den Schleifarbeiten an seinem Ferienhaus darauf verlässt, dass er früh genug durch die Leitplanke „Schmerz“ vor Ungemach geschützt wird, irrt er sich. Wenn er den Schmerz als Dosierleitlinie nimmt, entspricht das im Modell einem Kollisionskurs von Leitplanke zu Leitplanke, eine wenig überzeugende Strategie! Gerade weil Schmerzen sich häufig erst mit einer Verzögerung gegenüber der Überlastung melden, sind sie keine brauchbare Steuerhilfe.
Steuerhilfe „Erfahrungswerte“
Was ist die Alternative? Als wichtigstes Steuerelement haben wir unsere Erfahrungswerte zur Verfügung. Wir wissen, mit welchen Belastungen unser Körper erfahrungsgemäss gut zurecht kommt und und wir kennen unseren Trainingszustand. Beide Kriterien helfen uns, den Kurs konsequent innerhalb des Korridors zwischen den Leitplanken zu halten. Beim Ausloten der Grenze im Bereich der Leitplanke kann es dabei ohne grössere Folgen auch mal zu einer leichten Streifkollison, sprich zu punktuellen Schmerzen kommen.
Wenn Leitplanken zur Schikane werden
Intensive Kollisionen oder viele repetitive, kleinere Kollisionen mit den Leitplanken führen dazu, dass sich der Korridor zwischen den Leitplanken verengt. In unserem Fall ist diese Verengung die Folge der Entzündungsreaktion am Sehnenansatz. Der Spielraum für Belastungen ohne zusätzliche Reizung oder eben Verschlechterung der Situation wird deutlich schmäler. Am Tag nach den Schleifarbeiten ist für Peter Muster schon das Einschenken eines Glas Weins eine Strafe, und jedes Mal, nachdem er seinen Tennisarm mit ungeeigneten Tätigkeiten provoziert hat, verstärken sich die Schmerzen für längere Zeit.
Der Korridor zurück zur Normalität
Das Ziel von Selbstmanagement und Behandlung ist es, dass die enggestellten Leitplanken wieder die normale Strassenbreite freigeben. Ganz ideal wäre es, wenn am Schluss sogar eine etwas breitere Strasse mehr Spielraum für die Belastungen bieten würde, wenn also die Belastbarkeit durch ein gezieltes Training sogar grösser wäre als vor dem Auftreten des Überlastungsproblems.
Zugegeben, das ist nicht immer rasch und problemlos zu erreichen. Entscheidend ist dabei, wie aufmerksam und kooperativ jemand mit seinem Körper umgeht. Im einfachsten Fall der problemlosen Spontanheilung schafft es der Betroffene, sich ohne grosse Mühe im schmalen Korridor zwischen den enggestellten Leitplanken zu bewegen und mit einem langsamen Belastungsaufbau den Heilungsprozess zu unterstützen. Im schlechten Fall der Eskalation wird die Schikane zum Dauerzustand, indem die wiederholten und fortgesetzten Kollisionen mit der Leitplanke alle Heilungsbestrebungen – sei es die Selbstheilungsmechanismen des Körpers oder auch die Behandlungsversuche – immer wieder zunichte machen.
Das paradoxe Schonprogramm
Weil gewisse Belastungen ganz offensichtlich den Sehnenansatz am Ellbogen reizen, ist die übliche Reaktion ein totales Schonprogramm für den betroffenen Arm – mit Ausnahme dieser oder jener zwar ungünstigen, aber unumgänglich erscheinenden Tätigkeit. Dabei müsste es gerade umgekehrt laufen: Alle Aktivitäten, die innerhalb des Korridors problemlos möglich sind, müssen konsequent und aufbauend weitergeführt werden. Ziel ist ein Belastbarkeitsaufbau für den Sehnenansatz. Für die im Alltag als „unausweichlich“ erscheinenden, kontraproduktiven Tätigkeiten dagegen müssen konsequent andere Lösungen gesucht werden. Bei Peter Muster hiesse dies, dass die Belastungen für die Sehnenansätze bei der Arbeit am PC so gut wie möglich reduziert oder vielleicht kurzfristig unterbrochen werden. All die Tätigkeit mit dem rechten Arm, die problemlos möglich sind, sollten dagegen weitergeführt und mit einem niedrig dosierten Trainingstherapie-Programm ergänzt werden.
Die drei Säulen der Behandlung
Die erste Säule bildet das Verständnis für das Funktionieren unseres Körpers. Wenn der Patient verstanden hat, dass sein Tennis-Ellbogen nicht einfach eine Schwarzpeterkarte im Schicksalsspiel ist, sondern dass er mit seinem Verhalten die Sehnenentzündung überhaupt erst ermöglicht hat, dann ist damit eine erste Basis für ein gutes Selbstmanagement gelegt. Das Wissen um die Latenz zwischen Belastung und Schmerz und auch um die Wichtigkeit des gezielten Ausnutzens des Korridors zwischen den Leitplanken, schützt vor überraschenden und unverständlichen Rückfällen.
Die zweite Säule bildet eine niedrig dosierte Trainingstherapie, sowohl mit günstigen Alltagstätigkeiten wie auch mit gezielten Übungen – immer innerhalb des Korridors zwischen den Leitplanken. Bewährt haben sich Wandliegestützen, Knetübungen und Flexions- / Extensionsübungen. Das lässt sich mit leichten Alltagsgegenständen oder mit einem Gummiband machen.
Die dritte Säule bildet die breite Palette von mehr oder weniger etablierten Behandlungs- und Unterstützungsmassnahmen für den Tennisarm. Welche Optionen in welcher Kombination eingesetzt werden, hängt von der individuellen Situation des Patienten und auch von den Erfahrungen des behandelnden Arztes ab.
Wie könnten die Behandlungsmassnahmen bei Peter Muster aussehen?
Häufig werden entzündungshemmende Medikamente eingesetzt. Diese haben den Nachteil, dass sie dem Patienten einen Teil der Feedbackinformationen zur langsamen Belastungssteigerung vorenthalten. Wenn überhaupt, sollten sie deshalb vorzugsweise während der Nacht zum Einsatz kommen. Im Rahmen einer Physiotherapie kann die Trainingstherapie ergänzt werden mit Ultraschall und mit einer Triggerpunktbehandlung sowie mit Dehnübungen. Die Halswirbelsäule muss sorgfältig untersucht werden – die Behandlung von begleitenden Funktionsstörungen ist wichtig. Ob und wann eine Corticosteroidinjiektion am Sehnenansatz gemacht werden soll, ist Ermessenssache. Die Injektion hat bei der ersten Anwendung häufig einen eindrücklichen, aber kurzfristigen Effekt. Weil der Patient sich anschliessend in falscher Sicherheit wiegt und keine adäquaten Feedbacks mehr vom Körper bekommt, treten sehr häufig Rückfälle auf, die dann eher schwieriger zu behandeln sind. Bei manuell tätigen Patienten kann eine einfache Handgelenksschiene die Dauerbelastung der Sehnenansätze am Ellbogen vermindern. Zentral ist und bleibt jedoch, dass neben den Massnahmen der dritten Säule die erste und zweite Säule während der ganzen Genesungsphase im Blickfeld bleiben. Erst die Kombination aller drei Säulen bringt nachhaltige Resultate.
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06.01.2010 at 20:23
Sehr geehrter Herr Reich
Auf der Suche nach Abhilfe gegen meinen Tennisarm habe ich im Web etliche Seiten angetroffen – die Ihre ist bei weitem die informativste und kreativste, weil sie es mir ermöglicht selber etwas zu tun: Ich kann meine Beobachtungen nun besser zuordnen, verstehen und versuchen Gegensteuer zu geben. Über die Festtage sind die Schmerzen im rechten Ellbogen merklich zurückgegangen, nun sind sie wieder da, weil ich halt wieder am Computer arbeiten muss. Als erstes habe ich die Maus auf die linke Seite gewechselt und die Arbeitshöhe verändert, damit ich die Schultern weniger hochziehe. Das Arbeiten „mit links“ bewährt sich auch beim Bügeln – man lernt recht schnell und die etwas langsameren und bewussteren Bewegungen entschleunigen die Abläufe, es braucht mehr Pausen, aber insgesamt halte ich länger durch.
Es ist ein gutes Gefühl, mit nur wenigem, aber fundiertem Hintergrundwissen dem lästigen Schmerz eventuell beizukommen. Ich bin gespannt ob es gelingt! Vielen Dank und freundliche Grüsse
Regula Pinz
07.01.2010 at 08:34
Sehr geehrte Frau Pinz
Besten Dank für die Rückmeldung. Hilfe zur Selbsthilfe ist immer ein sinnvoller Weg. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit einem gezielteren Selbstmanagement!
Christoph Reich
28.05.2010 at 16:09
ich höre neuerdings viel über bienenstich oder brennessel therapien.giebt es dazu studien?
28.05.2010 at 16:11
wo würde man die trigerpunkte finden? kann ich die selber manipulieren?
28.05.2010 at 17:47
Guten Tag
Am einfachsten finden Sie die Triggerpunkte in den Streckmuskeln für das Handgelenk und die Finger. Sie können diese Punkte etwas komprimieren, während dem Sie die die Finger bzw das Handgelenk heben und senken. Sinn macht es zum Beispiel das zu machen, bevor man diese Muskeln dehnt.
28.05.2010 at 17:52
Bienenstich- oder Brennesselbehandlungen gehören in die grosse Gruppe der Reflexbehandlungen. Mit der Anwendung wird ein Reiz gesetzt, der sich auf den lokalen Stoffwechsel und auf die Muskelspannung auswirken soll. Qualitativ gute Studien gibt es meines Wissens dazu nicht, was nicht heisst, dass damit die Behandlung nicht unterstützt werden kann. Ich bevorzuge mit dem gleichen Ziel trockene Bürstenmassagen, aber auch hier aufgrund von positiven Erfahrungen und nicht von Studien.
Beste Grüsse
Christoph Reich
22.06.2012 at 10:27
Da habe ich eine fast unglaubliche Geschichte.
Vor rund 25 Jahren (ich lebte in Mexico) hatte ich an beiden Ellbogen solche Schmerzen, dass ich nicht einmal ein Glas hochheben konnte. Ich ging zu einem Freund, der 2000 Bienenvölker besass und immer von der wundersamen Heilkraft des Bienengifts schwärmte und dass es keinen Imker gebe, der an rheumatischen Erkrankungen leide. Er „setzte“ mir an beiden Ellbogen 2 Bienen. Das war an einem Freitag. Am Montag war die Entzündung weg, …und kam nie wieder.
Erklärung des Bienenzüchters: Das Bienengift neutralisiert Säuren in unserem Körper, welche Entzündungen bewirken.
22.05.2014 at 22:51
Guten Tag Herr Reich
Herzlichen Dank für die informative Website. Diese hat mir als „Einstieg“ in die Thematik sehr geholfen.
Freundliche Grüsse
Stefan Bürgi
30.11.2014 at 08:53
guten tag, ich habe die diagnose tennisarm bekommen und mein behandelnder arzt, welcher ein dr. med ist und zur chinesischen medizin gewechselt hat, rät mir zu akupunktur. kann ich das ernst nehmen ?
30.11.2014 at 12:26
Guten Tag
Akupunktur ist eine unterstützende Begleitbehandlung, die durchaus sinnvoll sein kann. Voraussetzung ist
allerdings, dass Sie eben ein konstruktives, aufbauendes Belastungsmanagement durchführen. Nachdem Sie offenbar diesen Blogbeitrag gelesen haben, sind Sie dafür ja bestens vorbereitet ;-).
Viele Grüsse, Christoph Reich