Ergonomie für jeden Tag / Teil 2
Eine körpergerechte Einrichtung senkt das Überlastungsrisiko
Ergonomisch sinnvolle Einrichtungsgegenstände und angepasste Arbeitsabläufe können die Belastung für unseren Körper senken. Ihre volle Wirkung entfalten diese Massnahmen aber nur zusammen mit Verhaltensanpassungen. Die Tätigkeiten müssen rhythmisiert werden und Abwechslung ist wichtig.
Sitzen am besten in Varianten
Das Sitzen hat einen schlechten Ruf. Von Kindsbeinen an sitzen wir am liebsten krumm und nachlässig, das mütterliche «Jetzt sitz mal richtig» hallt lebenslänglich in unseren Ohren nach. Auch als Erwachsene sitzen wir mit schlechtem Gewissen. Die Bandscheiben nehmen Schaden, Krampfadern entstehen und das Gewicht nimmt zu.
Dabei ist sitzen eine erholsame und nicht besonders ungesunde Tätigkeit . Ungesund ist nur, dass wir so masslos viel sitzen und dass wir uns der allgegenwärtigen Sitzkultur kaum entziehen können. Nur mit gezieltem Einsatz sind da Veränderungen möglich. Weitaus am meisten erreichen wir mit möglichst viel Abwechslung. Ein paar Schritte zur Kollegin oder ein Telefon im Stehen, das hilft viel. Leider haben wir als Kinder viel zu gut gelernt, unseren natürlichen Bewegungstrieb zu zügeln. Da stehen oder sitzen wir uns jetzt selber im Weg.
Die gesunde Sitzposition für den ganzen Tag gibt es nicht. Wenn schon sitzen, dann bewegt in wechselnden Stellungen. Aufrecht und leicht nach vorne gerichtet sitzen wir beim Schreiben von Hand und in einer angelehnten, mittleren Stellung oder auch einmal zurückgelehnt bei Bildschirmarbeit und beim Zuhören.
Besonders stiefmütterlich behandeln wir den Rücken, wenn wir in uns zusammensinken. Die Muskeln machen Pause und wir hängen in den Bändern. Der starke Rundrücken zwingt uns zu einer angestrengten Streckbewegung im Nacken. Nur so können wir nach vorne blicken. Von aussen betrachtet ist diese Haltung sehr unvorteilhaft und doch trifft man sie tagtäglich und überall an. Für einmal ist der Preis für ein bisschen Schönheit wohl zu hoch.
Tische und Stühle sollen vielseitig anpassbar sein
Wechselnde Körperhaltungen sind also das A und O der Ergonomie. Eine gute Einrichtung fördert diese Abwechslung. Am wichtigsten ist die Anpassung an die Körperproportionen der Benutzerinnen und Benutzer. Nur wenn die Höhe von Stuhl und Tisch optimal zu unserem Körper passen, können wir locker zwischen den Sitzpositionen wechseln.
Die Einstellung der Stuhlhöhe ist einfach: Die Oberschenkel sollen leicht nach vorne abfallen, dann ist das Becken ohne Widerstand nach vorne kippbar und die aufrechte Haltung fällt viel leichter – eine gute Mitarbeit der Rückenmuskulatur braucht es allerdings immer noch. Die Füsse müssen dabei flach auf dem Boden oder der Fusstütze aufliegen. Auch wenn wir anlehnen, sollte die Kniekehle nicht an der Vorderkante der Sitzfläche anliegen. Ein guter Stuhl erlaubt eine vielseitige Anpassung: möglichst eine leicht nach vorn kippbare Stitzfläche und eine in der Höhe und nach vorn einstellbare Lendenstütze. Willkommen ist eine abgefederte Ruheposition nach hinten.
Für die Bestimmung der Tischhöhe rollen wir auf unserem neu eingestellten Stuhl etwas zurück. Die Arme lassen wir locker hangen und machen im Ellbogengelenk einen rechten Winkel, die Handstellung wie beim Händedruck. Der Mittelfinger zeigt uns nun die passende Tischhöhe an. Auf diese Weise können wir die Arme beim Arbeiten auf der Tischfläche bequem auflegen. Wichtig ist, dass wir uns wohl fühlen, nur so können wir die Muskeln bei Gelegenheit auch entspannen.
Eine geneigte Tischfläche bringt beim Lesen und Schreiben Entlastung: Statt dass wir uns nach vorne neigen, kommt uns der Tisch entgegen und wir werden in einer aufrechten Haltung unterstützt. Den gleichen Effekt erreicht man mit einem schrägen Pultaufsatz, zum Beispiel aus Acrylglas. Eine gute Ergänzung ist ein Stehpult, am besten als Zweitarbeitsplatz für bestimmte Tätigkeiten. So wird das Abwechseln zwischen sitzen und stehen bewusst einprogrammiert. Geeignet sind zum Beispiel das Telefonieren und das Durcharbeiten der Post.
Rückschritt dank Fortschritt
Der Computer zaubert uns alles auf den Bildschirm und wir können einfach sitzen bleiben. Bildschirm, Tastatur und Maus reduzieren zudem unsere Bewegungen auf einen eng begrenzten Raum. Diese fortschrittlichen Arbeitstechniken erkaufen wir uns mit einem klaren ergonomischen Rückschritt. Der Spielraum für die so wichtigen Abwechslungen wird klein, Pausen werden damit noch wichtiger und die Ansprüche an die Einrichtung höher.
Für die Einstellung der Tischhöhe orientieren wir uns an der Tastaturoberfläche, das Prinzip bleibt sich sonst gleich. Mit einer Handballenauflage vor der Tastatur wird ein entspanntes Auflegen der Hände ermöglicht. Das bringt für den Schultergürtel eine ganz wesentliche Entlastung.
Die Maus ist ergonomisch gesehen eine Falle. Wir werden verführt, die Maushand immer am gleichen Ort in einer Schwebeposition zu halten. Zudem macht unser Zeigfinger einen immer gleichen Doppelklick. Diese Daueranspannung ist eine häufige Ursache von Nacken-, Schulter- und Armschmerzen. Es gibt verschiedene Massnahmen, um dieses Problem zu entschärfen: Eine Handballenauflage am Mauspad lädt zum Ausruhen ein, eine optokinetische und drahtlose Maus macht die Mausarbeit unabhängig von der Mausmatte und gelegentlich kann der Doppelklick softwaremässig durch einen Einfachklick ersetzt werden. Immer möglich ist die Verlängerung des Doppelklickintervalls. Übrigens: es ist nicht verboten, die Maus in die andere Hand zu nehmen. Das ist ergonomisch sinnvoll und fördert erst noch die Vielseitigkeit unseres Gehirns.
Die ergonomische Katastrophe
Rund um die Bildschirmplatzierung gibt es viele mögliche Fehler und diese lassen sich auch problemlos kombinieren. Wegen des erheblichen Platzbedarfs wird häufig auf eine Position schräg vor dem Benutzer ausgewichen und am liebsten wird das PC-Laufwerk auch noch unter den Bildschirm geschoben. Was ist die Folge? Ein exemplarischer Benutzer sitzt ohnehin schon in einer Rundrückenstellung mit etwas nach hinten gebeugtem Nacken da. Diese Nackenbeugung muss nun noch verstärkt werden, um den Blick aufwärts und erst noch seitlich zum Bildschirm zu richten. Lange Bildschirmarbeit ermüdet die Augen und häufig braucht es deshalb eine Brille. Wenn diese fehlt, wird der Kopf nach vorn geschoben, die Nackenbeugung wird nochmals verstärkt. Jetzt fehlt nur noch das Einklemmen des Telefonhörers zwischen Ohr und Schulter und schon ist die ergonomische Katastrophe perfekt, Schmerzen inklusive.
So machen wir es besser: Bildschirmposition gerade vor dem Benutzer in 60 cm Abstand, ausnahmsweise bis 90cm, oberste Linie deutlich unterhalb der Augenhöhe, leicht zurückgekippt, damit der Blick gerade auftrifft, Lichteinfall nur von der Seite um Reflexionen zu verhindern, genügend grosse und dunkle Schrift auf gedämpft hellem Hintergrund, sinnvollerweise einen Konzepthalter unterhalb, für eher Kleingewachsene unmittelbar neben dem Bildschirm.
Eine Brillenkorrektur ist für die Bildschirmarbeit viel früher nötig als für den Alltag. Weil der Bildschirmabstand grösser ist als die Lesedistanz braucht es häufig eine eigentliche Bildschirmbrille. Geradezu fahrlässig ist es, mit üblichen Gleitsichtgläsern am Bildschirm zu arbeiten. Der Nahsichtbereich befindet sich im untern Anteil des Brillenglases, was eine starke Nackenbeugung zur Folge hat.
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