Fettverbrennung/Jogging
Der Traum von der Fettschmelze im Sporttenue
Das Konzept „Fettverbrennungspuls“, das heisst ein Lauftraining mit niedriger Intensität zum Abnehmen, ist ein Irrtum. Optimal ist für Fettverbrennung und Gewichtskontrolle ein Ausdauertraining mit mittlerer Belastungsintensität. Wichtig ist, vor und nach dem Training keine Kohlehydrate zu sich zu nehmen.
Pünktlich mit der Schneeschmelze im Frühling erwacht bei vielen Menschen der Traum vom möglichst einfachen Wegschmelzen des verbliebenen Winterspecks. Mehr Bewegung ist in diesem Zusammenhang ein nahe liegender Tipp, um bis zur Badesaison wieder eine gute Figur zu machen.
Auf den ersten Blick scheint alles klar: Wer mehr Kalorien verbrennt, als er zu sich nimmt, verliert Gewicht und je länger und je intensiver er sich bewegt, umso mehr Kalorien fehlen abends in den Depots. Eine möglichst negative Energiebilanz ist das Ziel.
Ganz so einfach ist es nicht. Im Frühjahr 1993 haben die Resultate einer Studie zum Fettstoffwechsel beim Sport eine riesige Resonanz ausgelöst: Bereits bei sehr niedrigen Trainingsintensitäten werden bedeutende Mengen an Fett verbrannt. Ab einer Dauer von 15 Minuten werden beim Walking oder, im Fall von besser Trainierten, auch beim Jogging mit niedriger Intensität über neunzig Prozent der Energie aus dem Fettdepot bezogen und verbrannt. Findige Köpfe haben auf diesem Hintergrund umgehend den Begriff des „Fettverbrennungspuls“ lanciert, ein Mythos, der sich seither, gestützt durch unzählige Bücher und Internetseiten, hartnäckig hält. Dabei: wer die betreffende Studie über die Zusammenfassung hinaus liest, erfährt, dass de facto nicht bei niedriger, sondern bei mittlerer Intensität – entsprechend einer Belastung mit 75% des Maximalpulses – am meisten Fett verbrannt wird. Der Irrtum basiert auf einem falschen Vergleich von Prozentzahlen. Vorerst wird im mittleren Belastungsbereich gesamthaft mehr als doppelt soviel Energie verbraucht, als im niedrigen. Die 90 Prozent Fettanteil bei niedriger Intensität entsprechen deshalb in Tat und Wahrheit einer deutlich kleineren Fettmenge als die 50–60 Prozent bei mittlerer Intensität.
Die hohe Fettverwertung bei niedriger Belastung ist dennoch für viele Abnehmwillige wichtig: Alle jene, die sich gerade noch aufraffen können zu gemächlichem Bewegen, profitieren auch in diesem Bereich für den Fettabbau. Alle anderen dürfen sich getrost ganz einfach nach den etablierten Empfehlungen für ein gesundheitsorientiertes Training im mittleren Intensitätsbereich bewegen. Sie profitieren doppelt: Sie verbrennen nicht nur maximal viel Fett, sondern verbessern gleichzeitig ihre Ausdauerleistungsfähigkeit, womit sie den Fettanteil bei der Verbrennung zusätzlich zu steigern vermögen.
So weit wäre alles so gut, gäbe es da nicht heimtückische Fallen:
Wer meint, dass er mit noch höherer Intensität (also an und über der anaeroben Schwelle) nochmals mehr Fett verbrennen kann, irrt sich tüchtig. In diesem Bereich bricht der Fettabbau dramatisch ein, und es werden fast nur noch Kohlehydrate verbrannt.
Genauso ungeschickt ist es, in den letzten zwei bis fünf Stunden vor dem Training Kohlehydrate zu konsumieren, speziell rasch resorbierbare wie Zucker, Weissbrot oder Teigwaren. Die damit ausgelöste Insulinausschüttung zur Senkung des Blutzuckerspiegels vermindert die Fettverbrennung um einen Drittel und fördert dafür – oje, oje – den Fettaufbau. Wer das berücksichtigen will, trainiert nüchtern. Das verlangt allerdings eine achtsame Dosierung der Belastung, sonst kommt es unweigerlich auf halbem Weg zum Knock-out durch einen Hungerast. Interessanterweise können während mittlerer Belastungsintensitäten dosiert Kohlehydrate ohne grösseren Einfluss auf den Fettstoffwechsel eingenommen werden. Gegen einen Energieriegel unterwegs spricht also nichts.
In eine weitere Falle tappt, wer seine Ziellinie direkt vor dem Kühlschrank markiert und dann als erstes hineingreifft, um den vermeintlich drohenden Hunger abzuwenden oder mit gezuckerten Getränken den Durst zu löschen; so wird die „Nachbrennzeit“ verschenkt. Denn im Prinzip wird noch während ungefähr einer Stunde nach dem Training vermehrt Fett verbrannt.
Der allergrösste Fehler ist aber, dass sich die meisten bei den verbrauchten Energiemengen verschätzen. Wenn wir uns angestrengt haben, stellt sich rasch einmal das Gefühl ein, dass wir einen rechten Happen redlich verdient hätten. Nur übersteigt dieser dann nicht selten das erlaufene Zusatzguthaben deutlich und so werden Abnehmwillige kaum darum herum kommen, sich neben den guten Bewegungsvorsätzen auch mit ihrem Ernährungsverhalten auseinanderzusetzen.
Weitere Artikel zu den Themen "Ernährung/Stoffwechsel", "NZZ-Kolumnen" und "Training/Belastung" lesen.
Schreibe einen Kommentar